Gott entscheidet, wer das ewige Heil empfängt, nicht der Mensch
Tausende und Abertausende von Christen haben in den vergangenen 2000 Jahren lieber ihr Leben gelassen, als die Rechtfertigungslehre des biblischen Evangeliums abzulehnen. Sie wussten, dass ihnen im Jenseits Gott als gerechter Richter begegnen würde, der sie wegen ihrer Sündhaftigkeit zu einer Ewigkeit in der Hölle verurteilen müsste, wenn sie sich nicht auf die ihnen im Glauben zugerechnete vollkommene Gerechtigkeit Jesu Christi berufen könnten. Das vielfältige Zeugnis der Kirchengeschichte lehrt uns aber auch, dass gerade in der allgemeinen „Christenheit“ diese zentrale Lehre vom Heilshandeln Gottes, an dem sich das ewige Schicksal eines jeden Menschen entscheidet, mit einem Hass überzogen wurde, der seinesgleichen sucht. Als Pastor und Dozent habe ich mancherorts in Gemeinden und theologischen Seminaren bei manchen gerötete Augen und bei anderen wutverzerrte Gesichter erlebt, wenn ich die Bedeutung der Rechtfertigungslehre darzulegen begann. Wie lassen sich diese beiden so gegensätzlichen Reaktionen erklären? Die Antwort auf diese Frage finden wir in einem einzigen Ausspruch, den Jesus Christus kurz vor seiner Kreuzigung zu seinen Jüngern sprach. Doch um wirklich verstehen zu können, was der Sohn Gottes in der Abschiedsrede an seine engsten Vertrauten sagte, müssen wir einige erklärende Worte vorausschicken.
Der Begriff „Entscheidung“ des Menschen in Bezug auf die Heilsbotschaft ist richtig, aber immer gegen Gott, nie für ihn (Röm. 3,11). Wenn ein Mensch wirklich zum Glauben kommt, dann ist das ein Eingeständnis der eigenen Sündhaftigkeit und ein sich Ausstrecken nach der von Gott angebotenen Vergebung im Vertrauen auf die Heilszusage des Evangeliums. In gewissem Sinne kann man hier von einer „Willensentscheidung“ sprechen, wenn der Gesprächspartner versteht, was damit gemeint ist – aber das ist oft nicht der Fall, und deshalb ist es besser, diesen Begriff nicht zu verwenden. Wenn man davon ausgeht, dass die Wiedergeburt von oben gewirkt wird und der Glaube ein Geschenk Gottes ist, dann ist man sich bewusst, dass beides völlig außerhalb der menschlichen Entscheidungsfähigkeit liegt, denn die eigentliche Entscheidung ist die des souveränen Gottes vor Grundlegung der Welt (Röm. 8,28-30.33; Eph. 1,4; 1.Thess. 1,4). Erst wenn Gott einem Menschen durch die Wiedergeburt das neue geistliche Leben geschenkt hat, richten sich Verstand, Wille und Gefühl positiv auf Christus aus. Diese bejahende Heilserkenntnis im Glauben wird durch das Wort Gottes bewirkt (Röm. 10,17), dessen Wahrheit durch den innewohnenden Heiligen Geist bestätigt wird. Nur so kann das „helle Licht der Heilsbotschaft von der Herrlichkeit Christi“ (2.Kor. 4,4) wirklich gesehen werden. Der nun anders gepolte Wille des Menschen spielt dabei eine Rolle, ist aber – um es deutlich zu sagen – nicht der entscheidende Faktor. Wofür er sich entscheidet – eben für Christus – ist nur eine mittelbare Reaktion auf die vorausgegangene geistliche Erleuchtung von oben. Was fälschlicherweise unter einer „Glaubensentscheidung“ verstanden wird, ist die irrige Vorstellung, dass sich ausnahmslos jeder Mensch jederzeit so oder anders entscheiden kann und nur im Augenblick seiner „Entscheidung für Jesus“ wiedergeboren wird, bis er sich möglicherweise später wieder gegen Christus entscheidet und verloren geht. Völlig übersehen wird dabei, dass der Mensch erst wiedergeboren (geistlich lebendig) sein muss (Joh. 3,3-5; Tit. 3,5-6; Eph. 2,4-6.8-9), um das Heil in Christus im Glauben ergreifen zu können. Vorher ist ihm alle christliche Lehre Torheit; er kann das Evangelium weder verstehen noch glauben (1.Kor. 2,14)! Wie aus dem folgenden Wort Jesu zu entnehmen ist, sucht sich Gott diejenigen unter den Menschen aus, die er erretten möchte; keiner von diesen wäre zuvor auf den Gedanken gekommen, sich für Gott zu entscheiden. Die Initiative im Heilsgeschehen geht alleine von Gott dank seines vor Grundlegung der Welt feststehenden Ratschlusses aus, bestimmten Personen, aber nicht allen, ohne ihr Verdienst oder Würdigkeit die Erlösung zu schenken.
Joh. 15,16: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestellt, dass ihr hingehen und Frucht bringen sollt und eure Frucht eine bleibende sei, auf dass der Vater euch alles gebe, um was ihr ihn in meinem Namen bittet.
Hermann Menge-Übersetzung
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Eine ausführlichere Erklärung steht in meinem Buch Siegeszug des Fortschrittsglaubens (Neufassung, Band 1: 2.1.6 Umfassendes Prinzip der allein wirksamen Gnade Gottes):
Worum ging es bei dieser Auseinandersetzung unter den Theologen des 17. Jahrhunderts, die bis heute unvermindert anhält? Um diese Frage zumindest in einem begrenzten Umfang beantworten zu können, muss man sich zunächst darüber klar werden, worum es bei diesem Konflikt nicht geht. Der grundsätzliche Unterschied zwischen dem echten Evangelium und dem falschen besteht weder dort, wo einige der Heiligen Schrift folgen, während die anderen dem Diktat ihrer Logik hörig sind. Noch ist es richtig zu meinen, dass die Erstgenannten eine Verbindung zwischen dem Glauben und Gehorsam als Gnadenmittel zum Erlangen des ewigen Lebens sehen, die die Zweitgenannten bestreiten. Es wäre auch falsch anzunehmen, dass die einen nur die Liebe Gottes kennen, während sich die anderen auf seine Macht berufen. Keinesfalls richtig ist es, dass eine bestimmte Lehrmeinung das freie Angebot Christi im Evangelium hervorhebt, welches eine gegenteilige bestreitet. Die Differenzen zwischen beiden Positionen werden auch darin nicht offenkundig, wo einerseits die menschliche Verantwortung vor Gott und die sich daraus ableitende Verpflichtung eines heiligen Lebenswandels betont wird, während andererseits nichts dergleichen gelehrt wird. Nein: Der Unterschied besteht dort, wo das echte Evangelium eine Dimension in der rettenden Liebe Gottes wahrnimmt, die das falsche völlig übergeht. Für einen Christen dreht sich vordergründig alles um die Anerkennung der Souveränität Gottes. Gott allein trifft die Wahl, welcher Sünder tatsächlich errettet wird. Und Gott allein führt den erwählten Sünder zum Glauben und erhält ihn bis ans Ende im Glauben.