Mit Gottvertrauen in die Zukunft gehen (Dr. Martin Erdmann)

Mit Gottvertrauen in die Zukunft gehen (Dr. Martin Erdmann)

30.11.2023
 
 
 
Es liegt mir fern, die Monarchie als ideales Regierungssystem zu propagieren, außer der einen Monarchie, die am Ende der Tage erscheinen wird. Gottlose Könige und andere Machthaber haben immer versucht (und versuchen es immer noch), den ewigen Ratschluss Gottes zu vereiteln, der seinen gesalbten Sohn auf den höchsten Platz im Himmel und auf Erden erhoben hat, um seine eigene Herrlichkeit und königliche Majestät zu offenbaren (vgl. Phil 2,9-11). Aber je mehr sie sich bemühen, umso weniger werden sie am Ende Erfolg haben. Was Christen tun müssen, ist, sich auf die Verwirklichung von Gottes Plänen für die Zukunft zu konzentrieren. Was die tausendjährige Herrschaft Christi betrifft, so werden die Erläuterungen und die historische Diskussion über die Bedeutung des Textes in Offb. 20,1-6 in dem Buch Das tausendjährige Reich ausführlich dargestellt.
 
Offb. 20,1-4: 1 Dann sah ich einen Engel aus dem Himmel herabkommen, der den Schlüssel zum Abgrund (= zur Hölle) und eine große Kette in seiner Hand hatte. 2 Er ergriff den Drachen, die alte Schlange – das ist der Teufel und der Satan –, legte ihn auf tausend Jahre in Fesseln, 3 warf ihn in den Abgrund, verschloss den Eingang und brachte über ihm ein Siegel an, damit er die Völker nicht mehr verführe, bis die tausend Jahre zu Ende sind; danach muss er auf kurze Zeit noch einmal freigelassen werden. 4 Dann sah ich Thronsessel (aufgestellt), auf die sich (Richter) setzen; und es wurde ihnen das Gericht übertragen. Dann sah ich die Seelen derer, die wegen des Zeugnisses Jesu (oder: wegen ihres Zeugnisses für Jesus) und um des Wortes Gottes willen enthauptet worden waren und die das Tier und sein Bild nicht angebetet und das Malzeichen an Stirn und Hand (oder: Arm) nicht angenommen hatten; sie wurden wieder lebendig und herrschten als Könige zusammen mit Christus tausend Jahre lang.
 
Hermann Menge Übersetzung

Charles H. Spurgeon (1834-1892), der berühmte Baptistenpastor des Metropolitan Tabernacle in London, predigte einmal über Psalm 2,8.9: „Bitte mich, so will ich dir die Heiden zum Erbe geben und die Enden der Erde zu deinem Besitz. Du sollst sie mit eisernen Stäben zerschlagen und zerschmeißen wie ein Töpfergefäß.“ Der Titel der Predigt „Das universale Reich Christi und wie es kommt“ bezog sich auf die Aufrichtung des Tausendjährigen Reiches Gottes auf Erden. In seinen einleitenden Worten richtete Spurgeon tröstende Worte an seine Gemeinde über den endgültigen Triumph Gottes durch die Einsetzung seines Sohnes Jesus Christus als obersten Herrscher über alle Völker:

Achtet, liebe Freunde, auf den wunderbaren Gegensatz zwischen der heftigen Erregung der Feinde des Herrn und der erhabenen Gelassenheit Gottes selbst. Er lässt sich nicht beunruhigen, obwohl die Heiden so wütend toben und ihre Könige und Mächtigen sich zum Kampf rüsten. Er belächelt sie, er verspottet sie.
 
Du und ich sind oft niedergeschlagen und deprimiert, und unsere Vorahnungen sind dunkel und düster, aber Gott sitzt in seiner ewigen Ruhe und herrscht ruhig über Aufruhr und Rebellion. Der Herr herrscht, und sein Thron wird nicht erschüttert, noch wird seine Ruhe gestört, wie viel Lärm und Aufruhr es auch unten geben mag. Beachte die Erhabenheit dieser göttlichen Ruhe. Während die Heiden und ihre Fürsten Ränke schmieden und Pläne aushecken, hat Er ihre Pläne bereits durchkreuzt und sagt zu ihnen: „Ich habe Meinen König auf Meinen heiligen Berg Zion gesetzt. Ihr wollt nicht, dass Mein Sohn über euch regiert, und doch regiert Er. Während ihr getobt habt, habe ich ihn gekrönt. Eure Einbildungen sind in der Tat eitel, denn Ich bin euch zuvorgekommen und habe Ihn auf Seinen Thron gesetzt. Hört auf ihn, wenn er meine Entscheidung verkündet und seine königliche Souveränität behauptet. Gott kommt seinen Widersachern immer zuvor: Er hat ihre Intrigen vereitelt und ihre List durchkreuzt, noch bevor sie ihre Pläne ausführen konnten. Auf Gottes Geheiß wird der ewig gesegnete Sohn des Höchsten eingesetzt und auf seinen Thron erhoben. Die Herrscher können ihm das Zepter nicht aus der Hand reißen und die Krone nicht von seinem Haupt stoßen: Jesus herrscht und soll herrschen, bis alle Feinde unter seine Füße gelegt sind. Gott hat ihn fest auf den heiligen Berg Zion gesetzt, und die wütenden Völker können ihn nicht stürzen: Allein der Gedanke, dass sie es tun könnten, erregt den Spott Gottes, der seine große Seele durch ihr Getöse nicht beunruhigt. Als ob es sich um ein Festmahl und nicht um einen Streit handelte, spricht der Herrgott, der selbst ein König ist, zu dem Königssohn, ja zu seinem Gesalbten zu seiner Rechten, und nachdem er dessen königlichen Rang anerkannt hat, verleiht er ihm die höchsten Ehren.
 
Es ist bekannt, dass so mancher Monarch bei großen Festen zu seinem Günstling sagte: „Bitte, was ich dir geben will, und nichts soll dir heute vorenthalten werden.“ So sagt auch der große Vater zu seinem herrlichen Sohn, dem Friedensfürsten: „Bitte mich, und ich will dir die Heiden zu deinem Erbe und die Enden der Erde zu deinem Besitz geben.“ Er fordert ihn auf, seinen Mund weit aufzutun und um grenzenlose Herrschaft zu bitten. Er will ihm ferne Völker geben, ja, die ganze Erde soll sein Reich werden. Das alles hat etwas von einem königlichen Fest und von friedvoller Freude, die in merkwürdigem Gegensatz zu dem Aufruhr der Feinde steht. Brüder, ich wünschte, wir könnten ein wenig in diese erhabene Ruhe eintreten. Wir dürfen zuversichtlich sein, denn Gott ist es. Wenn der Hauptmann des Sieges sicher ist, muss auch der einfache Soldat tapfer hoffen können. Die Schlacht gehört dem Herrn, und da er der allmächtige Herrgott ist, ist Furcht vor dem Ausgang der Schlacht töricht und böse.
 
Alles Geschehen liegt in Seiner Hand – Seiner Hand, die ganze Welten zu Staub zermalmen oder erschaffen kann, wenn es Ihm gefällt. Was kann sich dem Willen des Allmächtigen widersetzen? Wer kann zu Gott sagen: „Was tust du?“ In dieser ewigen Allgenügsamkeit liegt unsere Ruhe, und darum dürfen wir aufhören, uns zu sorgen. Bleib stehen, mein müder Bruder, und schaue auf Gottes Heil. Streck nicht deine ängstliche Hand aus, um die zitternde Arche aufzuhalten, sondern wisse, dass Gott die Seinen beschützen kann. Lege deine Martha-Sorgen beiseite, setze dich zu den Füßen deines Erlösers und höre auf seine Stimme. Er wird dir sagen, dass Gott noch regiert und dass sein Gesalbter regieren wird. Die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen: Alles ist gut, wenn alles schlecht aussieht. Ist der Himmel bewölkt, so verlöscht die Sonne nicht; ist der Abend verfinstert, auch bis Mitternacht, so kommt doch der Morgen; er bricht an, und alle Finsternismächte können den Tagesanbruch nicht aufhalten. Die festen Befehle des Herrn bleiben wie in ewiges Messing eingraviert, und die List der Hölle kann keine einzige Zeile auslöschen, noch die Ausführung eines einzigen Vorsatzes aufhalten. Trotz aller Widerstände wird der heilige Vorsatz zur wahren Vorsehung erblühen, und die Vorsehung wird zur Erlösung reifen. Der Plan Gottes wird ausgeführt werden, ohne in irgendeinem Punkt zu scheitern, und es gibt keinen Grund zur Sorge.
 

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Etwas viel Wichtigeres als Politik steht auf dem Spiel (Dr. Martin Erdmann)

Etwas viel Wichtigeres als Politik steht auf dem Spiel (Dr. Martin Erdmann)

27.11.2023
 
Obgleich ich es durchaus nachvollziehen kann, wenn Christen die Notwendigkeit erkannt zu haben meinen, sich politisch zu engagieren, müssen wir uns in dieser Angelegenheit am Verhalten Jesu Christi orientieren. Obgleich er der im alten Bunde von Gott verheißene Messias ist und somit als Nachkomme König Davids zu Recht die Königskrone des Volkes Israels hätte tragen können, entgegnete er dem römischen Statthalter Pontius Pilatus auf dessen Frage hin, ob er der König der Juden sei, wie folgt:
 
Joh. 18,36-37: 36 Jesus antwortete: »Mein Reich (= mein Königtum) ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, so würden meine Diener (für mich) kämpfen, damit ich den Juden nicht überliefert würde; nun aber ist mein Reich nicht von hier (oder: derart).« 37 Da sagte Pilatus zu ihm: »Ein König bist du also?« Jesus antwortete: »Ja, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis abzulegen; jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme.«
 
Hermann Menge-Übersetzung
 

Ist es nicht töricht, solch einem König anzugehören und zu dienen, der seine Aufgabe darin sah, nicht in weltlicher Machtausübung über seine Untertanen zu herrschen, sondern ihnen die Wahrheit über Gott zu vermitteln und es damit bewenden zu lassen? Hätten wir so an seiner Stelle gehandelt? Jesus Christus weigerte sich selbst im Angesicht des kurz bevorstehenden Kreuzestodes, politisch aktiv zu sein, obwohl er – gerade er – die Macht dazu gehabt hätte, zu verhindern, dass er von den Oberen seines Volkes an die heidnischen Römer überantwortet wurde, um durch ihre Hände auf grausamste Weise umgebracht zu werden. Etwas viel, viel Wichtigeres als Politik stand auf dem Spiel: das ewige Schicksal der Menschheit. Den Auserwählten musste durch das Kreuzesgeschehen die Türe zum Himmel geöffnet werden. Und Jesus Christus konnte dies alleine durch die Hingabe seines Lebens vollbringen.
 
Im Kreuz und in der Auferstehung Christi ist der höchste Gipfel der menschlichen Weisheit in den tiefsten Abgrund der Torheit gestürzt worden. Er hat alles auf den Kopf gestellt: Weisheit ist Torheit, Torheit ist Weisheit, Schwachheit ist Macht, Herrscher sind Knechte, Gottes Volk ist arm und hat doch alles. Und doch ist nicht alles, was auf diese Weise auf den Kopf gestellt wurde, heute sichtbar, aber Kreuz und Auferstehung sind der Beweis seiner Gewissheit. Deshalb muss das Volk Gottes sein Vertrauen in die vermeintlichen Sicherheiten des gegenwärtigen Zeitalters aufgeben; es muss auf die scheinbare Torheit Gottes vertrauen und dadurch wahrhaft weise werden.
 
Menschliche Torheit und göttliche Weisheit stehen in absolutem Widerspruch zueinander. Die Torheit (das Kreuz) ist der Ort, an dem Gott seine rettende Macht und erlösende Gnade für die Menschen erwies. Paulus macht diese Tatsache mit großer Klarheit deutlich. Er teilt die der Sünde ergebenen Menschen in zwei grundlegende Klassen ein, vor allem, weil sie die zwei grundlegenden Arten widerspiegeln, in denen der Mensch bei klarem Verstand (das heißt durch Weisheit) religiös ist. Wie im Ersten Korintherbrief beschrieben, veranschaulichen „Juden“ und „Griechen“ den grundlegenden Götzendienst der Menschheit. Gott mag als der Allmächtige oder der Allweise erscheinen, aber nur dann, wenn er in unserem besten Interesse handelt – Macht in unserem Namen, Weisheit als die Unsrige! In beiden Fällen ist der ultimative Götzendienst das Beharren darauf, dass sich Gott nach unseren eigenen Vorstellungen richten soll, das heißt nach der Art und Weise, wie der Gott, der Sinn macht, die Dinge tun sollte. Das sind also die beiden grundlegenden Götzen unserer gefallenen Welt: das Verlangen nach Macht und das Beharren auf Weisheit, aber immer für uns oder aus unserer Sicht.
 
Denen, die Zeichen und Weisheit suchen, hält Paulus den ultimativen göttlichen Widerspruch vor Augen: „Wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten“ (1.Kor. 1,23). Anstatt ihnen die Zeichen und die Weisheit zu geben, nach denen sie verlangen – und Gott hat beides im Überfluss –, erhalten sie Schwäche und Torheit. Tatsächlich erscheint „Christus, der Gekreuzigte“ ein Widerspruch in sich zu sein. Es gibt den Messias, und es gibt die Kreuzigung, aber es gibt nicht beides, zumindest nicht nach menschlichem Ermessen. Messias bedeutete Macht, Glanz, Triumph; Kreuzigung bedeutete Schwäche, Erniedrigung, Niederlage. Kein Wunder, dass sowohl Juden als auch Griechen von der christlichen Botschaft empört waren. In römischer Zeit war die Kreuzigung die Höchststrafe, die vor allem aufständischen Untertanen aller Art und Sklaven vorbehalten war. Jesus starb als Staatsverbrecher, ein Skandal für Juden, Griechen und den Rest der Menschheit.
 
Kurz gesagt, für die Juden war die Botschaft vom gekreuzigten Messias der Stein des Anstoßes schlechthin. „Christus, der Gekreuzigte“ konnte einfach nicht in ihr Gottesverständnis und in die Heilige Schrift passen. Für die Heiden war die Botschaft vom gekreuzigten Christus ein verderblicher Aberglaube und eine völlige Torheit (1.Kor. 1,23). Paulus‘ Wort für Torheit bezeichnet weder einen rein intellektuellen Irrtum noch einen Mangel an geistlicher Weisheit. Es geht um etwas mehr – etwas, das eher mit Wahnsinn zu vergleichen ist. Wenn die Juden nach Zeichen (Wunder) und die Griechen nach Weisheit suchen und Gott allwissend und allmächtig ist, warum sollte er ihnen nicht Zeichen und Weisheit geben und nicht diesen – wie es für viele aussieht – verderblichen Aberglauben, der beide beleidigt? Paulus‘ Grund liegt in der doppelten Realität, dass (1) die unangenehme Angelegenheit eines gekreuzigten Messias in Wirklichkeit der ultimative Ausdruck von Gottes „Macht“ und „Weisheit“ ist und (2) er als gekreuzigter Messias für diejenigen verfügbar ist, die „Gott berufen hat, Juden und Griechen“ (1.Kor. 1,24). Auch hier drängt Paulus die Korinther, die Dinge von oben und nicht von unten, aus ihrer eigenen Weisheitsperspektive zu betrachten.
 
Aus rein menschlicher Sicht muss die zentrale Botschaft des christlichen Evangeliums immer als Torheit erscheinen. Aber gerade diese Torheit erweist sich als der Ort, an dem Gott mächtig am Werk ist und ein Volk zu seinem Namen beruft. Die Geretteten, die Gläubigen, sind also gerettet aufgrund des vorhergehenden Handelns Gottes; sie sind „die von Gott Berufenen“ (1.Kor. 1,24). Für sie ist die Predigt von „Christus, dem Gekreuzigten“ wirksam; sie ist „Christus, die Kraft Gottes und die Weisheit Gottes“. Es geht Paulus hier nicht so sehr darum, dass sie das Kreuz als Weisheit wahrnehmen können, sondern um das tatsächliche Wirken Gottes in der Welt durch das Kreuz. Gott wirkt in dieser Welt, aber nicht politisch, sondern geistlich.
 

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Einführungsessay von Dr. J. I. Packer, das der Neuherausgabe des Originalwerkes von John Owen, “The Death of Death in the Death of Christ” [Banner of Truth Tust, 1958] vorangestellt war.

Bilderquelle: https://www.eternitynews.com.au/world/j-i-packer-bible-teacher-promoted-to-glory/

Dr. James I. Packer  (* 22. Juli 1926 in Gloucester, England; † 17. Juli 2020 in Vancouver)


John Owen (* 1616 in Stadhampton, Oxfordshire, England; † 24. August 1683 in Ealing)

The Death of Death in the Death of Christ

https://ccel.org/ccel/owen/deathofdeath/deathofdeath.i.i.html

 

 

 

 


Einführungsessay von Dr. J. I. Packer, das der Neuherausgabe des Originalwerkes von John Owen, “The Death of Death in the Death of Christ” [Banner of Truth Tust, 1958] vorangestellt war.

I.

“The Death of Death in the Death of Christ” ist ein polemisches Werk und wurde mit der Absicht verfasst, unter anderem nachzuweisen, dass die Lehre von der allgemeinen Erlösung unbiblisch ist und sich auf das Evangelium zerstörerisch auswirkt. Für viele wird dies Buch deshalb vermutlich von geringem Interesse sein. Wer keine Notwendigkeit für lehrmäßige Genauigkeit sieht und keine Zeit hat für theologische Debatten, welche die Klüfte zwischen den so genannten Evangelikalen bloßlegen, wird diese Neuauflage wohl mit Kopfschütteln zur Kenntnis nehmen. Manche werden Owens Thesen von vornherein so schockierend finden, dass sie sich weigern werden, das Buch überhaupt zu lesen; so leidenschaftlich können Vorurteile sein, und so stolz sind wir auf unsere theologischen Schibboleths. Doch es ist zu hoffen, dass dieses Werk Leser finden wird, die anderen Geistes sind. Es gibt heute Anzeichen für ein wiedererwachendes Interesse an der Theologie der Bibel; für eine neue Bereitschaft, überlieferte Ansichten zu überprüfen, in der Schrift zu forschen und den Glauben gründlich zu durchdenken. Allen, die diese Bereitschaft teilen, sei Owens Abhandlung empfohlen. Sie kann uns helfen, eine der dringlichsten Aufgaben der evangelischen Christenheit unserer Tage zu bewältigen — die Wiedergewinnung der Evangeliumsbotschaft.

Über letztere Formulierung mag manch einer die Augen verdrehen, doch scheint sie angesichts der Tatsachen gerechtfertigt.

Zweifellos befindet sich der Evangelikalismus heute in einem Zustand der Verwirrung und der Verunsicherung. In Fragen wie der Praxis des Evangelisierens, der Unterweisung in der Heiligung, der Seelsorge und der Ausübung von Gemeindezucht gibt es Anzeichen für eine weit verbreitete Unzufriedenheit mit dem gegenwärtigen Zustand und eine ebenso weit verbreitete Ungewissheit, was den Weg in die Zukunft betrifft. Dies ist ein komplexes Problem, zu dem viele Faktoren beigetragen haben; doch wenn wir auf seine Wurzeln zurückgehen, werden wir finden, dass diese Verunsicherungen nur daraus entstehen, dass wir das biblische Evangelium aus dem Blick verloren haben. Ohne es zu merken, haben wir während des letzten Jahrhunderts dieses Evangelium für ein Ersatzprodukt eingetauscht, das, wenn es auch in Einzelheiten sehr ähnlich aussieht, dennoch in seiner Gesamtheit etwas völlig anderes ist. Daher stammen unsere Probleme; denn das Ersatzprodukt ist untauglich hinsichtlich der Ziele, für die sich das echte Evangelium in vergangenen Zeiten als so mächtig erwiesen hat. Das neue Evangelium versäumt es auf bemerkenswerte Weise, tiefe Ehrfurcht und Reue, echte Demut, einen Geist der Anbetung und herzliche Anteilnahme am Wohl der Gemeinde hervorzubringen. Und warum? Ich behaupte, die Ursache hierfür liegt in seinem eigentlichen Wesen und Inhalt. Es kann die Menschen nicht dazu bringen, dass sie Gott im Mittelpunkt ihres Denkens und die Furcht Gottes in ihren Herzen haben. Das ist auch gar nicht sein eigentliches Anliegen. Man kann sagen, es unterscheidet sich von dem alten Evangelium dadurch, dass es ausschließlich darum bemüht ist, dem Menschen “dienlich” zu sein — ihm Frieden, Trost, Freude und Erfüllung zu bringen — und zu wenig daran interessiert ist, Gott zu verherrlichen. Das alte Evangelium war auch dem Menschen “dienlich” — ja, mehr noch als das neue —, doch sozusagen eher beiläufig, denn sein primäres Anliegen war es, Gott Ehre zu bringen. Es war immer und wesentlich eine Verkündigung göttlicher Souveränität — in der Barmherzigkeit und im Gericht; ein Aufruf, sich zu beugen und den mächtigen Herrn anzubeten, von dem der Mensch in allen Dingen abhängig ist, sei es in der natürlichen Versorgung oder in der Gnade. Sein eindeutiger Bezugspunkt war Gott. Aber in dem neuen Evangelium ist der Bezugspunkt der Mensch. Das alte Evangelium war auf eine Weise religiös, wie es das neue Evangelium nicht ist.

Während es das Hauptziel des alten war, die Menschen Gottes Wege zu lehren, so scheint das Anliegen des neuen darauf beschränkt zu sein, ihr Wohlbefinden zu fördern. Das Thema des alten Evangeliums waren Gott und seine Wege mit den Menschen; das Thema des neuen sind der Mensch und die Hilfe, die Gott ihm gibt. Das ist ein großer Unterschied. Ausblick und Schwerpunkt der Evangeliumspredigt haben sich grundlegend gewandelt.

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Christus starb nur für die Auserwählten Gottes (Dr. Martin Erdmann)

Christus starb nur für die Auserwählten Gottes (Dr. Martin Erdmann)

22.11.2023
 
Vor drei Wochen habe ich damit begonnen, die ersten Schritte in die Wege zu leiten, um eine neue Gemeinde an unserem jetzigen Wohnort in Badenweiler zu gründen. Um sofort das Wichtigste im Hinblick auf diese Gemeindegründung in den Mittelpunkt zu stellen, betrachtete ich an den Sonntagnachmittagen um 16 Uhr den Römerbrief. Im Moment sind wir bis zu zehn Personen, die in unserem Wohnzimmer oder über den Internet-Livestream Webex daran teilnehmen. Wer daran teilnehmen möchte, kann mir eine Mail senden, damit ich den entsprechenden Link sende.
 
Seit meinem ersten Pastorendienst vor 23 Jahren verwundert mich die Feststellung immer wieder aufs Neue, dass das biblische Evangelium, wie es der Apostel Paulus besonders im Römer- und Galaterbrief dargelegt hatte, bei vielen Christen nicht so bekannt ist, wie man es eigentlich kennen müsste. Aus der Kirchengeschichte wissen wir jedoch, dass über viele Jahrhunderte hinweg dieses Evangelium von der römisch-katholischen Kirche so entstellt wurde, dass die wenigsten Menschen etwas davon wussten. Deshalb sollte es nicht überraschen, dass dies auch in unserer Zeit so ist, wenn man bedenkt, dass in den meisten evangelikalen Gemeinden die römisch-katholische Version der Heilslehre verkündet wird. Nichts scheint mir dringlicher zu sein, als immer wieder mit großem Nachdruck darauf hinzuweisen, was die Reformatoren im 16. Jahrhundert über das paulinische Evangelium im Gegensatz zur katholischen Werksgerechtigkeitslehre gelehrt haben.
 
Wie zur Zeit der Reformation so auch heute wird eine zentrale Lehre der Bibel von vielen Evangelikalen verworfen, die von sich behaupten Christen zu sein. Es handelt sich um die Lehre, dass Jesus Christus ausschließlich für die Auserwählten Gottes am Kreuz gestorben ist und nicht für jeden einzelnen Menschen ausnahmslos.
 
Apg. 20,28:  So gebt denn acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, bei welcher der Heilige Geist euch zu Aufsehern (= Vorstehern) bestellt hat, damit ihr die Gemeinde des Herrn weidet, die er sich durch sein eigenes Blut erworben hat.
 
Hermann Menge-Übersetzung
 

Der englische Theologe John Owen veröffentlichte 1648 sein Buch The Death of Death in the Death of Christ. In diesem verteidigte und erklärte er die biblische Erlösungslehre, dass Jesus Christus ausschließlich für die Auserwählten gestorben ist. James I. Packer schrieb in seinem Einleitungsessay zu diesem Buch Folgendes. Ich werde nur einen kurzen Auszug daraus zitieren, aber es lohnt sich, das ganze Essay zu lesen: