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(Quelle: https://der-ruf.info Übersetzung von Georg Walter)
Dabei haben sie den äußeren Schein von Gottesfurcht, deren Kraft aber verleugnen sie. Von solchen wende dich ab!
2Timotheus 3,5
Paulus warnt uns vor bestimmten Charaktertypen, die in den letzten Tagen in Erscheinung treten werden. Es ist eine schreckliche Auflistung. Solche Personen gab es zu allen Zeiten, aber sie werden in den letzten Tagen mehr als in vorangegangenen Zeitaltern in größerer Zahl auftreten. „Sie werden sich selbst lieben, geldgierig sein, prahlerisch, überheblich, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, unheilig, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unbeherrscht, gewalttätig, dem Guten feind, Verräter, leichtsinnig, aufgeblasen; sie lieben das Vergnügen mehr als Gott“ (2Tim 3,2-4). Sie werden wie die Fliegen am Ende eines Jahres ausschwärmen und die Tage überaus schlimm machen. Dass diese Leute, zumindest einige davon, innerhalb der Gemeinde sein werden, ist das Betrübliche daran. Aber dies wird so sein, denn in dem letzten Satz dieser Auflistung des vorliegenden Textes heißt es: Sie haben einen äußeren Schein von Gottesfurcht, deren Kraft aber verleugnen sie.
Paulus sieht die Zukunft nicht durch eine rosarote Brille, er ist kein Prophet, der mit schmeichlerischer Zunge ein goldenes Zeitalter voraussagt, das vermeintlich in dieser finsteren Erde hervorleuchten wird. Es gibt zuversichtliche Brüder und Schwestern, die sich darauf freuen, dass alles besser und besser wird, bis das gegenwärtige Zeitalter letztlich für das Tausendjährige Reich herangereift sein wird. Sie werden ihre Hoffnung aufgeben müssen, denn die Schrift gibt ihnen hierfür keine feste Grundlage. Wir, die wir glauben, dass es ein tausendjähriges Reich nur mit dem König geben wird, und wir, die wir keine Herrschaft der Gerechtigkeit erwarten, es sei denn, der gerechte Herr wird zuvor erscheinen, sind näher an der Wahrheit. Ohne das zweite Kommen unseres Herrn, das das Tausendjährige Reich einläutet, wird die Welt eher in schreckliches Chaos fallen.
Mich dünkt, dass uns die Schrift die Hoffnung auf ein göttliches Eingreifen als einzige Hoffnung vor Augen stellt, die dieser Situation angemessen ist. Wir haben es mit der Zunahme der Finsternis zu tun. Der Zustand der Menschheit, wie sehr er sich politisch auch zum Besseren wenden mag, wird geistlich betrachtet schlimmer und schlimmer werden. In der Tat finden wir in Vers 13 die Bestätigung, dass „böse Menschen aber und Betrüger es immer schlimmer treiben werden, indem sie verführen und sich verführen lassen.“ Es werden innerhalb und außerhalb der christlichen Gemeinde glaubenslose Personen auftreten, die bekennen, gläubig zu sein – gottlose Personen, die sich mit den Heiligen verbinden, Personen, die den äußeren Schein von Gottesfurcht haben, deren Kraft aber verleugnen. Wir mögen dies als schlimme Zeiten bezeichnen, wenn wir wollen, aber noch sind wir nicht in diesen Zeiten angekommen, in denen es mit der Gemeinde bergab geht; wenn dies eintritt, wird die Gemeinde, mehr als heute, mit aller Kraft den Herrn anrufen müssen, dass er sie lebendig erhalte. Mit diesem Einblick im Geist wenden wir uns dem Text selbst zu. Wollen wir ihn gründlich betrachten und den Heiligen Geist bitten, dass er uns helfe.
Wahrer Glaube ist etwas Geistliches, aber notwendigerweise zeigt sich das Geistliche in äußeren Formen. Der Mensch ist ein geistliches Geschöpf, aber der menschliche Geist benötigt einen Leib, in dem er wohnen kann. Und auf dieser Grundlage werden wir an die Materie gebunden. Und wenn wir auch nicht „halb Staub, halb Gott“ sind, wie jemand sagte, so sind wir doch gewiss Leib und Seele. Jeder von uns hat die äußere Gestalt eines Leibes und eine Seele oder innere Kraft. So verhält es sich mit dem Glauben: Er ist seinem Wesen nach etwas Geistliches, aber er benötigt eine äußere Form, um sich zu manifestieren.
Christen verfallen schnell in äußere Methoden oder Handlungen. Besondere Äußerungen ihres Glaubens, und wahre Gottesfurcht werden dann zu dem, was der Leib für die Seele ist. Die äußere Form ist nützlich, die äußere Form ist notwendig, die äußere Form sollte mit Leben erfüllt sein, wie der Leib nützlich und notwendig ist und durch die Seele sein Leben erhält. Hast du beides, die äußere Form, wie von Gottes Wort verordnet, und die Kraft durch den Heiligen Geist, tust du gut daran und bist ein lebendiger Christ. Hast du die Kraft alleine ohne die verordnete Form, dann verstümmelst du dich in gewisser Weise. Aber wenn du nur die äußere Form ohne die Kraft hast, dann bist du geistlich tot. Der Leib ohne den Geist ist tot. Und was folgt dem Tod des Fleisches? Zerfall, Zerfall so schrecklich, dass selbst Liebe ausrufen muss: „Begrabt meine Tote fern von meinem Angesicht“ (1Mo 23,4).
Wenn also jemand religiös ist ohne die Lebendigkeit des Glaubens, führt das zu Zerfall und schließlich zur Fäulnis, und dies hat die Tendenz, die Persönlichkeit zu zerstören. Der raue Gefährte des Teufels ist ein Engel ohne Heiligkeit. Du kannst keinen Judas machen, es sei denn, er war zuvor ein Apostel. Das einzig Gute an äußeren Formen ohne inneres geistliches Leben ist, dass es unter dem Himmel letztlich gänzlich zerfällt. Du musst dich nicht wundern, dass man dies als „schlimme Zeiten“ bezeichnet, in denen solche Personen überhand nehmen werden. Ein Judas ist eine schreckliche Last für diese arme Welt, aber eine ganze Horde davon muss in der Tat ein Desaster sein. Auch wenn es sich nicht um die schlimmsten Personen handelt, so sollten wir uns vor jenen, die einen Schein von Glauben ohne Substanz haben, in Acht nehmen. Über solche will ich jetzt sprechen. Gott gebe dir Gnade, dich von solchen abzuwenden. Möge niemand unter uns jemals Schandflecken bei unserem Liebesmahl gleichen oder Wolken ohne Wasser, von Winden umhergetrieben. Aber zu solchen werden wir, wenn wir einen äußeren Schein von Gottesfurcht haben, aber deren Kraft verleugnen.
Mit großem Ernst in meiner Seele gehe ich an dieses Thema heran und suche die Hilfe des Herrn durch seinen Heiligen Geist, der durch Gottes Wort die Gedanken und Absichten des Herzens prüft. Zuerst werde ich von den Menschen sprechen und dann von ihren Torheiten. Und wenn ich damit zu Ende bin, werde ich abschließend einige unterweisende Worte sagen.
Lasst uns einen Augenblick über die Menschen sprechen, die einen Schein von Gottesfurcht haben, deren Kraft sie aber verleugnen. Beachte, was sie hatten, und beachte sodann, was sie nicht hatten. Sie hatten einen äußeren Schein von Gottesfurcht. Was ist ein äußerer Schein von Gottesfurcht? Es ist vor allem ein Einhalten religiöser Gebote. Diese sind, sofern sie auf der Schrift beruhen, wenige, und sie sind einfach. Da ist die Taufe, in der der Gläubige im Bild gesprochen mit Christus begraben wird, damit er zur Neuheit des Lebens auferstehe. Und da ist das Abendmahl, durch das er sich sinnbildlich von Christus nährt und das Leben erhält, das er durch die Gemeinschaft mit dem Tod Christi empfangen hat. Diejenigen, die dem Herrn in Bezug auf diese beiden Gebote gehorsam sind, zeigen in ihrem Leben einen äußeren Schein von Gottesfurcht. Dieser äußere Schein ist für andere Menschen klar und deutlich erkennbar, und er ist für uns selbst ein Siegel. Jede getaufte Person und jeder Teilnehmer am Abendmahl sollte gottesfürchtig und voll Gnade sein. Aber weder die Taufe an sich noch das Abendmahl an sich können Gottesfurcht und Gnade wirken.
Wo kein Leben Gottes in der Seele ist, kann es keine Heiligung und keine Gottesfurcht geben, auch wenn äußere Formen eingehalten werden. Und darum haben wir um uns herum getaufte Weltmenschen, die sich nach dem Abendmahl an Orte begeben, um aus dem Kelch des Teufels zu trinken. Es ist traurig, dass es sich so verhält. Solche Personen machen sich des Stolzes, der Falschheit, der Gotteslästerung und der Blasphemie schuldig. Ach, Sonntag für Sonntag sitzen wir an der Seite solcher Menschen. Der äußere Schein von Gottesfurcht lässt sie an den Versammlungen des Gottesvolkes teilnehmen. Diejenigen, die Christus bekennen, haben sich daran gewöhnt, zu bestimmten Zeiten für ihre Gottesdienste zusammenzukommen; sie versammeln sich zum gemeinsamen Gebet und gemeinsamen Lobpreis. Sie hören auf das Zeugnis Gottes durch seine Diener, die er berufen hat, sein Wort mit Macht zu verkündigen. Sie pflegen auch Gemeinschaft, um sich gegenseitig zu helfen und zu korrigieren. Dies ist eine sehr angemessene Sache, voller Segen für die Gemeinde und die Welt, solange sie nicht zu einer rein äußerlichen Sache degeneriert. Ein Mensch kann in den Himmel kommen, aber es ist besser für ihn, wenn er mit Herrn Mutherz und Vater Redlich und Christin und ihren Kindern unterwegs ist [Personen aus dem Buch „Die Pilgerreise“ von John Bunyan].
Das Volk Gottes wird aus folgendem Grund mit Schafen verglichen: Es bevorzugt, als eine Herde voranzugehen. Hunde kommen sehr gut alleine zurecht, aber für Schafe ist es am besten, wenn sie in der Herde beisammen sind. Die Schafe Gottes lieben es, auf der gleichen Weide zusammen zu sein und den Fußstapfen des Guten Hirten einer Herde zu folgen. Diejenigen, die beständig am Gottesdienst, an der Gemeinschaft und an Aktivitäten der Gemeinde teilnehmen, haben einen äußeren Schein von Gottesfurcht, und dies ist sehr nützlich. Und doch ist sie nutzlos ohne die Kraft des Heiligen Geistes. Einige tun mehr, als nur am Gottesdienst teilzunehmen. Sie haben viele religiöse Gespräche. Sie sprechen unter Christen frei über die Dinge Gottes. Sie können die Lehren der Schrift verteidigen, für ihre Gebote werben, und sie können von den Erfahrungen von Gläubigen berichten. Ihr Herz brennt, wenn sie über das Tun in der Gemeinde berichten – der Tratsch von den Straßen Jerusalems ist ihnen sehr lieb. Ihr Reden ist voller religiöser Phrasen, wenn sie mit jenen zusammen sind, die daran Gefallen haben. Ich verurteile sie nicht. Im Gegenteil, ich wünschte mir, es gäbe mehr Reden über heilige Dinge unter denen, die sich zum Glauben bekennen. Ich wünschte mir, wir könnten die alte Gewohnheit wiederbeleben: „Da besprachen sich die miteinander, welche den HERRN fürchteten“ (Mal 3,16). Heilige Unterredung lässt das Herz glühen und gibt uns einen Vorgeschmack der Gemeinschaft in der Herrlichkeit. Aber es gibt einen Beigeschmack im Reden unter den Gläubigen, bei dem es sich um etwas Unechtes handelt – es gleicht einer heißen Soße, die den Geschmack fahlen Fleisches überdecken soll. Dieser Glaube, der nur äußerlich mit Lippen bekannt wird, aber nicht aus den Tiefen Quellen des Herzens hervorquillt, ist nicht das lebendige Wasser, das ins ewige Leben fließt. Lippenbekenntnisse zur Gottesfurcht sind ein Gräuel, wenn das Herz nicht mit göttlicher Gnade erfüllt ist.
Mehr als dies – einige haben einen äußeren Schein von Gottesfurcht, die auf religiösen Aktivitäten beruhen. Es ist möglich, äußerlich für die Gemeinde sehr aktiv zu sein und dennoch nicht die Kraft des Geistes zu kennen. Jemand mag in gewisser Weise ein ausgezeichneter Sonntagsschullehrer sein, gleichwohl muss man ihn darüber belehren, was es bedeutet, wiedergeboren zu sein. Jemand mag ein beredter Prediger oder ein fleißiger Mitarbeiter in der Gemeinde Gottes sein, dennoch weiß er nichts darüber, wie die verborgene Kraft des Heiligen Geistes der Wahrheit im Herzen wirkt. Es ist gut, wie Martha zu dienen. Aber eines tut not: zu den Füßen des Meisters zu sitzen und zu lernen, wie Maria es tat.
Wenn wir alles getan haben, was von uns verlangt wird, haben wir dennoch nur einen Schein von Gottesfurcht. Wenn wir nicht auf unseren Herrn hören und aus seiner Gegenwart Kraft empfangen, sind wir nichts als tönendes Erz oder klingende Schellen. Brüder, ich spreche zu mir selbst und zu euch allen mit feierlichem Ernst. Wenn uns vieles Reden, großzügiges Geben und ständige Aktivitäten in den Himmel bringen könnten, würden wir das mit Leichtigkeit erreichen. Aber mehr als dies ist notwendig. Ich spreche jeden einzelnen von euch an. Und wenn ich jemanden mehr als andere anspreche, dann sind es die Besten unter uns – diejenigen, die am meisten für ihren Herrn tun, diejenigen, die im Inneren denken: „Diese Warnung betrifft mich nicht. O, mein aktiver Bruder voller Energie, erinnere dich an das Wort: „Darum, wer meint, er stehe, der sehe zu, dass er nicht falle!“ Sollte jemand diese prüfende Botschaft missfallen, beweist dein Missfallen, wie sehr du diese Botschaft brauchst. Derjenige, der nicht willig ist, sich selbst zu prüfen, hat sich durch seine Unwilligkeit, sein Leben zu durchleuchten, selbst schuldig gemacht. Wenn dein Leben in Ordnung ist, wirst du nichts dagegen einzuwenden haben, dass man dich ausgewogen auf den Prüfstand stellt. Solltest du tatsächlich aus reinem Gold sein, wirst du angesichts des Feuerofens noch immer Schrecken empfinden, aber du wirst keinen Groll empfinden, wenn du das Feuer betrachtest. Dein Gebet wird allezeit sein: „Erforsche mich, o Gott, und erkenne mein Herz; prüfe mich und erkenne, wie ich es meine; und sieh, ob ich auf bösem Weg bin, und leite mich auf dem ewigen Weg!“
Ich muss nicht weiter darauf eingehen. Ihr alle wisst, was der äußere Schein von Gottesfurcht beinhaltet, und die meisten der hier Anwesenden weisen diese äußeren Formen auf – mögen wir diese äußeren Formen niemals entehren. Ich vertraue darauf, dass wir die äußeren Formen mit dem Leben der Schrift erfüllen, damit unsere Gottesfurcht jener der ersten Christen gleichkommt. Lasst uns Christen erster Klasse sein, geformt nach dem Bild unseres Herrn. Aber werdet niemals zu solchen, die kleinlich an äußeren Dingen festhalten und das innere Leben vernachlässigen – dies wird niemals von Nutzen sein. Sollen wir uns wegen der Kleidung eines Menschen streiten und es zulassen, dass der Mensch selbst verloren geht?
Aber nun, wie kommt es, dass Leute nicht die Kraft der Gottesfurcht besitzen und nur den äußeren Schein wahren? Darauf gibt es mehrere Antworten. Einige übernehmen den Schein der Gottesfurcht aus Tradition. Ihre Vorfahren waren immer gottesfürchtige Menschen gewesen, und sie übernehmen natürlicherweise das Bekenntnis ihrer Vorfahren. Dies ist allgemein üblich, und wo dies aus ehrlichem Herzen geschieht, ist es sehr lobenswert. Es ist eine große Gnade, wenn die Kinder in die Fußstapfen ihrer Väter treten. Und wir mögen voller Hoffnung erwarten, dass unsere Kinder uns in den Dingen Gottes nachfolgen. Wir sind unglücklich, wenn wir sehen, dass unsere Kinder nicht in Gottes Wahrheit wandeln. Doch die Vorstellung, dass wir durch Geburt in einer christlichen Familie zu Christen werden, ist gefährlich und unbiblisch. Wenn die Kinder aufgrund ihrer irdischen Eltern einfach [als Glieder] in die Gemeinde aufgenommen werden, hat dies nichts mit der Sohnschaft Gottes gemäß der inspirierten Schrift zu tun – die von denjenigen spricht, „die nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.“ Nicht Abstammung sondern Wiedergeburt macht einen Christen aus. Du bist nicht Christ, weil du aus einer Linie stammst, die seit zwanzig Generationen Kinder Gottes sind. Du selbst musst wiedergeboren werden, denn niemand kann das Reich Gottes sehen, es sei denn er ist von neuem geboren.
Viele halten aufgrund von Familienbindungen von Natur aus an einem äußeren Schein von Gottesfurcht fest – dies ist ein armseliges Tun. Ismael ist ein bedauernswerter Sohn Abrahams, so auch wie Esau von Isaak und Absalom von David. Gnade fließt nicht im Blut. Wenn das Fundament deiner Religion nur auf deinen irdischen Eltern ruht, steht es erbärmlich um dich.
Andere haben den Schein von Gottesfurcht durch Zwang und Beeinflussung angenommen. Als Jungen wurden sie gottesfürchtigen Männern anvertraut. Als Mädchen waren sie unter dem Einfluss frommer Lehrer. Und als sie aufwuchsen, kamen sie unter den Einfluss von Personen mit überaus großer Intelligenz und von Charakter, die auf der Seite des Herrn standen. Ihre Gottesfurcht geht auf diesen Umstand zurück. Viele Personen sind das Produkt ihrer Umwelt – Glaube oder Unglaube ist die Folge ihrer Umstände. Solche Personen wurden dazu angeleitet, ihren Glauben an Christus zu bekennen, weil andere es so taten und ihre Freunde sie dazu ermutigten, diesem Beispiel zu folgen. Eigentlich hätten sie den Herrn in der Tiefe ihres Herzens suchen müssen, aber dies wurde schlichtweg übergangen, und sie wurden einfach unter Gottes Volk aufgenommen, ohne dass sie an der Türe anklopften. Ich möchte nicht, dass sich jemand selbst verdammt, weil er von gottesfürchtigen Freunden zum Erlöser geführt wurde – weit davon entfernt. Aber nichtsdestotrotz besteht darin die Gefahr, dass wir keine persönliche Umkehr und keinen persönlichen Glauben haben und uns damit zufriedengeben, den Meinungen anderer zu folgen.
Ich habe den Schein von Gottesfurcht auf der Grundlage von rein menschlichen Freundschaften gesehen. Oft führte eine Verlobung oder Heirat zu einem Schein von Gottesfurcht ohne Herz. Der zukünftige Ehemann wird verleitet, das Bekenntnis des Glaubens abzulegen, damit er diejenige gewinne, die eine aufrichtige Christin ist und somit das Gebot des Herrn, nicht unter einem fremden Joch mit einem Ungläubigen zu wandeln, bricht. Gottesfurcht kann man nicht anziehen wie einen Hochzeitsring – dies ist ein bedauerlicher Missbrauch unseres Bekenntnisses des Glaubens. Auch andere Arten von Freundschaft haben Männer und Frauen dazu verleitet, sich zum Glauben zu bekennen, obgleich sie niemals gläubig waren. Wenngleich sie nach außen hin mit der Gemeinde verbunden sind, waren sie, geistlich betrachtet, niemals ein Teil davon. Ich stelle euch dies vor Augen, damit wir alle unsere Herzen tiefgründig prüfen und offen überdenken, wie unsere Gottesfurcht aussieht. Manche Personen haben einen Schein von Gottesfurcht aufgrund ihrer religiösen Neigung.
Geht nicht davon aus, dass alle unbekehrten Leute unreligiös sind. Unter Heiden gibt es viel Religiosität. Der Deutsche mit seiner tiefgründigen Philosophie ist frei von Aberglauben, aber auch von Ehrfurcht. Der Russe ist von Natur aus religiös, um nicht zu sagen abergläubisch, wenn er, an heiligen Orten vor Bildern oder Personen seinen Hut abnimmt; er neigt wenig dazu, ungläubig zu sein oder zu spotten. Unter uns gibt es ähnliche Unterschiede. Der eine wird sehr leicht von den Skeptikern in die Irre geführt, während ein anderer bereit ist, alles zu glauben. Einer tut sich natürlicherweise schwer mit dem Glauben, ein anderer ist natürlicherweise offen für den Glauben. Einige haben von Natur aus eine Neigung zu einem Schein von Gottesfurcht. Sie können nicht glücklich sein, wenn sie nicht einen Gottesdienst besuchen und zu Christen gerechnet werden. Sie brauchen Religion, selbst wenn dies nicht Zentrum ihres Lebens ist. Lasst mich euch daran erinnern, welch fragwürdigen Wert alles hat, was dem Menschen entspringt. Dies wird gewiss niemanden ins Reich Gottes bringen, denn „was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch.“ Es zählt nur das, „was aus dem Geist geboren ist.“ Du musst wiedergeboren sein. Hüte dich vor allem, was auf dem Acker aufsprießt, was nicht vom Ackersmann ausgesät wurde, denn es wird Unkraut sein. Der Tag wird kommen, wenn Gott uns im Feuer prüfen wird, und alles, was von der nicht wiedergeborenen Natur kommt, wird die Prüfung nicht bestehen und völlig ausgelöscht werden.
Ich habe keinen Zweifel daran, dass in diesen verweichlichten Tagen viele einen Schein von Gottesfurcht haben, weil man sie dafür respektiert. Es gab eine Zeit, in der man als Christ verfolgt oder eingekerkert oder vielleicht auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. In jenen Tagen gab es wenige Heuchler, da ein Bekenntnis zum Glauben etwas kostete. Aber so seltsam es ist, es gab einige Judasse selbst in solchen Zeiten. Heute geht der Glauben in Samtschuhen umher. Und in gewissen Kreisen würde man solche, die sich nicht zum Christentum bekennen, mit Argwohn begegnen. Das Kreuz wird heute als Schmuckstück getragen. Das Kreuz als Zeichen der Schande und des Todes ist vergessen, und stattdessen wird es zu einem Ehrenzeichen erhoben, ein Juwel mit dem sich gottlose Menschen schmücken. Ist dies nicht Zeichen für die Verführung in unserem Zeitalter? Hüte dich davor, dir Respekt mit einem heuchlerischen Schein von Gottesfurcht zu verschaffen. Ehre aufgrund eines toten Glaubens ist aus der Sicht Gottes eine Schande! Der Schauspieler mag in seiner königlichen Rolle stolz erscheinen, aber er muss seine Krone und sein Gewand ablegen, wenn das Schauspiel vorüber ist. Und was wird dann kommen?
Von den Tagen Judas Ischariots an bis heute haben Menschen einen Schein von Gottesfurcht angenommen, um Vorteile für sich zu erzielen. Sich einen Vorteil durch Gottesfurcht zu erschleichen, bedeutet in den Fußstapfen des Sohnes des Verderbens zu wandeln. Dies ist ein gefährlicher Weg, und doch riskieren viele ihre Seelen für den vermeintlichen Gewinn daraus. Scheinbarer Eifer für Gott mag wirklich Eifer für Gold sein. Kaiser Maximilian legte großen Eifer gegen den Götzendienst an den Tag und erließ ein Dekret, dass Götzenbilder aus Gold und Silber eingeschmolzen werden sollten. Er war äußerst eifrig diesbezüglich. Alle Götzenbilder mussten eingeschmolzen und das daraus gewonnene Edelmetall dem Kaiser übergeben werden. Man kann sicher annehmen, dass dieser große Bilderstürmer nicht nur aus uneigennützigen Motiven handelte. Einige lieben Christus, weil sie für ihn die Geldbörse tragen. Hütet euch vor solch einer Art von Gottesfurcht, die eine Person solange zögern lässt, bis sie sieht, ob sich ein Handeln für sie bezahlt macht oder nicht und erst dann handelt, wenn es ihren Zwecken dient.
Abermals, ich habe keinen Zweifel daran, dass viele einen Schein von Gottesfurcht haben, weil ihnen dies Erleichterung im Gewissen schafft; wie die Pharisäer danken sie Gott, dass sie nicht wie andere Menschen sind. Waren sie nicht im Gottesdienst? Haben Sie nicht Geld gespendet? Sie können nun mit ihrem Alltag vorangehen ohne Gewissensbisse, die sie hätten, würden sie den Forderungen des Glaubens nachkommen. Diese Leute bekennen, dass sie bekehrt seien, und sie werden zu den Gläubigen gezählt. Aber sie gehören nicht zu ihnen. Unter allen Menschen sind sie es, die am schwierigsten zu erreichen sind, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie errettet werden. Sie verstecken sich hinter den irdischen Werken einer äußerlichen Religion. Sie sind nicht erreichbar für die Ermahnungen des Evangeliums. Sie bewegen sich unter Sündern, und sie haben ihre Zelte unter den Heiligen aufgeschlagen. Traurig ist die Lage einer solchen Person, die scheinbar Leben hat, aber die niemals durch den Heiligen Geist lebendig gemacht wurde.
Ich habe also kurz aufgezeigt, was diese Menschen haben und warum sie es haben. Lasst uns nun daran erinnern, was sie nicht haben. Sie haben einen Schein von Gottesfrucht, aber es fehlte ihnen die Kraft. Was ist die Kraft? Es ist Gott selbst, der die Kraft der Gottesfurcht ist; der Heilige Geist ist das Leben und die Kraft. Gottesfurcht ist die Kraft, die einen Menschen zur Buße leitet und zum Glauben an ihn; Gottesfurcht ist das Ergebnis einer großen Herzensveränderung in Bezug auf Gott und sein Wesen. Gottesfurcht schaut auf Gott und trauert, wenn sie von Gott fern ist. Gottesfurcht eilt sich, Gott zu begegnen, und sie ruht nicht, bis sie in Gottes Nähe ist. Gottesfurcht verändert einen Menschen in Gottes Ebenbild; Gottesfurcht führt einen Menschen in die Liebe zu Gott und in den Dienst an Gott. Sie bringt Ehrfurcht vor Gott und Liebe zu Gott in das Herz. Gottesfurcht führt zu Heiligung und Hingabe.
Der gottesfürchtige Mensch trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit und erwartet, dass ihm alles andere zufällt. Gottesfurcht führt in die Gemeinschaft mit Gott, er wird zur göttlichen Teilhaberschaft berufen. Und auf diese Weise wird er darauf vorbereitet, ewig bei Gott zu sein. Viele, die einen Schein von Gottesfurcht haben, kennen diese Kraft nicht, und daher sind sie in ihrem Glauben weltlich, im Gebet mechanisch, in der Öffentlichkeit das eine und im Privaten das andere. Wahre Gottesfurcht wurzelt in geistlicher Kraft, und diejenigen, die dies nicht besitzen, sind tot, auch wenn sie leben. Wie verhält es sich im Allgemeinen mit jenen, die diese Kraft nicht haben? Nun, liebe Freunde, ihr Wandel sieht so aus: es beginnt nicht damit, dass sie die Kraft verleugnen, sondern dass sie versuchen, alles ohne die Kraft [Gottes] zu tun. Sie würden gerne Mitglied der Gemeinde werden, und da sie fürchten, dass sie die Bedingungen nicht erfüllen, halten sie nach etwas Ausschau, das nach einer Bekehrung oder Wiedergeburt aussieht. Sie versuchen sich selbst zu überzeugen, dass sie verändert wurden, sie halten Gefühle für die Wiedergeburt und eine Glaubenslehre für Glauben an Christus. Anfänglich ist es immer schwer, Messing von Gold zu unterscheiden, aber es wird einfacher, wenn man es genauer anschaut. Sie schreiten voran, indem sie eine Bekehrung inszenieren und eine Wiedergeburt fingieren. Anfänglich sind sie ziemlich fragend, was ihre Person angeht, aber eifrig töten sie jede Frage, indem sie diese als unnötigen Zweifel abtun. Stück für Stück glauben sie einer Lüge. Der nächste Schritt ist schnell getan: sie betrügen sich selbst und glauben, dass sie wahrhaft errettet sind. Alles ist nun für ewig abgemacht, so ihre Gedanken. Und sie verschränken ihre Arme in ruhiger Gewissheit. Wenn sie auf gottesfürchtige Menschen treffen, zeigen sie sich von ihrer mutigen Seite und sprechen so heldenhaft, als ob sie die wahren Soldaten des königlichen Jesus seien.
Gute Leute finden Gefallen daran, wenn sie auf erfrischende Brüder treffen, und sie vertrauen ihnen sogleich. Und so verführen sie andere und stärken sich selbst in ihrer falschen Hoffnung. Sie gebrauchen christliche Phrasen [Schibboleth]. Indem sie sich unter wahre Christen mischen, übernehmen sie deren Ausdrücke und sprechen Schibboleth in bester Manier aus. Und schließlich wagen sie den verwegenen Schritt, Gottes Kraft zu verleugnen. Sie sind selbst ohne die Kraft [Gottes] und meinen, dass es sich bei anderen ebenso verhält. Sie kommen auch ohne übernatürliche Kraft zurecht, und andere tun zweifelsohne das Gleiche, nur dass sie dem wahren Göttlichen etwas hinzutun. Praktisch leugnen sie die Kraft in ihrem Leben, so dass diejenigen, die sie beobachten und sie für Christen halten, sagen: „Da gibt es wirklich keinen Unterschied, denn diese Leute sind, wie wir sind. Sie haben ein wenig Farbe hier und ein wenig Lack an anderer Stelle, aber es ist das gleiche Holz.“ Ihr Tun lässt die Welt glauben, dass das Christentum keine Kraft hat. Es ist nur ein Name. Sehr bald denken sie in ihren Herzen, dass dies so sein muss, und sie erfinden Lehren, die dazu passend sind. Indem sie auf sich schauen, sehen sie inkonsequente Christen und falsche Gläubige, und sie sagen zu sich selbst: „Da ist aber nicht viel Glaube. Ich bin genauso gut wie diese Gläubigen und vielleicht besser, obgleich ich sicher bin, dass der Heilige Geist nicht in mir wirkt.“ Und so glauben sie in ihren eigenen Herzen, was sie zuerst nicht auszusprechen wagten: Gottesfurcht ist für sie etwas Leeres.
Nach und nach verleugnen diese Menschen die göttliche Kraft des heiligen Glaubens und werden zum größten Feind des Kreuzes Christi. Diese Verräter, die im Hause Gottes groß werden, sind die schlimmsten Feinde der Wahrheit Gottes und der Gerechtigkeit. Sie machen das lächerlich, was sie einst ehrfürchtig achteten. Sie haben den Weizen Christi mit ihrem eigenen Scheffel vermischt, und weil sie nie die Kraft der kommenden Welt gespürt haben, sind sie der Ansicht, dass kein anderer das erfahren hat. Schaut euch die Gemeinde unserer Tage an, die progressive Schule. Dort treffen wir Prediger an, die einen Schein von Gottesfurcht haben, aber deren Kraft verleugnen. Sie sprechen vom Herrn Jesus Christus, aber sie leugnen, dass er Gott ist, worin seine Kraft besteht. Sie sprechen vom Heiligen Geist, aber sie leugnen seine Person, was seine reale Existenz darstellt. Den geoffenbarten Lehren nehmen sie alle Substanz und Kraft, obwohl sie weiterhin vorgeben, an sie zu glauben. Sie sprechen von Erlösung, aber lehnen den stellvertretenden Sühnetod Christi ab, die Mitte der Erlösung. Sie erheben die Schrift, aber leugnen ihre Unfehlbarkeit, worin ihr Wert liegt. Sie gebrauchen das rechtgläubige Vokabular, aber sie haben nichts gemeinsam mit der Rechtgläubigkeit.
Ich weiß nicht, was verabscheuenswerter ist, ihre Lehren oder ihr Geist, gewiss ist das eine wie das andere. Sie verbrennen den Kern und bewahren die Hülle. Sie töten die Wahrheit, und sogleich geben sie vor, ihre Grabstätte anzubeten – „sie sagen, sie seien Juden, und sind es nicht, sondern sie lügen.“ Dies ist schrecklich, aber das Böse ist weit verbreitet, und die Kinder Gottes machen Kompromisse, indem sie den Herrn verkaufen und zu Teilhabern jener werden, die die Wahrheit verleugnen. Einen Schein von Gottesfurcht zu haben aber deren Kraft zu verleugnen, ist die Sünde dieses Zeitalters, die in den Gemeinden unseres Landes vorherrscht. In anderer Hinsicht müssen wir uns die boshafte Torheit eines solchen heuchlerischen Wandels betrachten. Diejenigen, die nur äußerliche Gottesfurcht aufweisen, handeln in schändlicher Weise, und ich werde versuchen, dies darzulegen.
Erstens, sie machen dem Namen Christi Unehre. Brüder, wenn Gottesfurcht keine geistige Kraft hat, dann ist sie nichts wert! Wir wollen keine Wolken ohne Regen, Schein und Vorspiegelung gibt es mehr als genug. Diejenigen, die nicht die Kraft der Gottesfurcht haben, geben ein schlechtes Bild des Glaubens ab. Sie machen aus dem Glauben an den Herrn eine Sache, die mit einer Show auf dem Jahrmarkt vergleichbar ist, mit schönen Bildern und lauten Trommeln nach außen, aber ohne inneren Wert. Das Beste der Show sind die Äußerlichkeiten. Wenn etwas dahinter ist, handelt es sich um Mummenschanz. Gnädiger Herr, lass es niemals zu, dass wir so handeln, dass die Welt denkt, unser Erlöser sei nichts weiter als ein schlauer Zirkusdirektor, wo nichts real, alles hingegen nur Pantomime ist. Brüder und Schwestern, wenn ihr überhaupt betet, betet, dass Gott euch durch und durch wahrhaftig macht. Mögt ihr aus echtem Metall sein! Es wäre besser für euch, nie geboren worden zu sein, als Christus unter den Söhnen der Menschen Unehre zu bereiten, indem ihr bei den Menschen den Eindruck erweckt, dass der Glaube ein Theaterspiel ist. Die Torheit solchen Handelns wird deutlich an der Tatsache, dass tote Formen keine inneren Werte aufweisen. Der Schein der Gottesfurcht ohne die Kraft lohnt der Mühe nicht, sie zu fabrizieren und aufrechtzuerhalten.
Imitate von Juwelen sind hübsch und sie glänzen. Aber wenn du sie zum Juwelier bringst, wirst du nichts dafür bekommen. Es gibt einen Glauben, der künstlichen Perlen entspricht – eine Gottesfurcht, die glitzert, aber es ist kein Gold. Indem du diese Art von Glauben praktizierst, wirst du bitter enttäuscht. Ein Schein von Gottesfurcht in einem unheiligen Herzen ist vor Gott wertlos. Ich habe gelesen, dass der Schwan nicht auf dem Altar Gottes geopfert werden durfte, weil seine Haut schwarz ist, obgleich seine Federn weiß wie Schnee sind. Gott wird äußere Moral, die innere Unreinheit verdeckt, nicht akzeptieren. Das Herz muss ebenso rein sein wie der Lebenswandel. Die Kraft der Gottesfurcht muss inwendig am Wirken sein, ansonsten wird Gott unser Opfer nicht annehmen. Weder für den Menschen noch für Gott hat ein solcher toter Glaube Kraft.
Alsdann, äußere Formalitäten sind zwecklos. Wenn dein Glaube ohne geistliches Leben ist, was nützt er? Kannst du auf einem toten Pferd nach Hause reiten? Kannst du mit toten Hunden jagen gehen? Würde jemand mit einem Helm aus Pappe in den Krieg ziehen? Wenn das Schwert auf den Helm träfe, was für einen Schutz würde dieser Helm bieten? Welchen Aufschrei gibt es über schlechte Schwerter! Ist ein falscher Glaube besser? Kannst du dich mitten im Winter vor einem Bild eines Feuers wärmen? Könntest du ein Festmahl von einem Bild verzehren, wenn du hungrig bist? Es muss Lebendigkeit und Substanz da sein, ansonsten sind äußere Formen nutzlos. Und noch schlimmer, dies mag dich in tödliche Selbsttäuschung treiben. Überdies gibt es darin keinen Trost. Der Schein ohne die Kraft verfügt über nichts, was das Herz erwärmt, den Geist erhebt oder das Innere in Tagen der Krankheit oder in der Todesstunde stärkt. O Gott, wenn mein Glaube nur äußere Form ist, was soll ich tun, wenn der Jordan anschwillt? Mein schönes Bekenntnis wird zunichte, und ich habe nichts, womit ich dem letzten Feind entgegentreten kann.
Petrus bezeichnete Heuchler als “Brunnen ohne Wasser”. Du bist durstig und voller Freude entdeckst du eine Quelle. Sie ist von einem Zaun umgeben, und sie verfügt über Windseile und Eimer. Du eilst, um Wasser hervorzuholen. Was nun? Kommt der Eimer leer nach oben? Du versuchst es erneut. Wie bitter ist deine Enttäuschung! Eine Quelle ohne Wasser ist ein Hohn. Es ist eine Grube der Zerstörung – eine tödliche Täuschung. Sind nicht einige von euch, die den Glauben haben, solche, die niemals einen Tropfen Trost spenden? Ist es eine Knechtschaft für euch? Folgst du Christus, wie ein Sklave seinem Meister folgt? Fort mit einem solchen Glauben! Die Gottesfurcht, die es wert ist, ist dem Menschen eine Freude, es ist seine Wahl, sein Schatz, sein Alles! Er achtet sie als einzige Quelle seiner Freude. Er folgt Christus in Liebe, aus dem Verlangen seines Herzens, und nicht weil es Mode ist und nicht aus Angst. Einen Schein von Gottesfurcht zu haben ohne Kraft gibt dem Glauben keine Beharrlichkeit. Du hast vielleicht nie eine Fata Morgana gesehen. Aber diejenigen, die im Nahen Osten waren, können dir bestimmt davon berichten, wenn sie nach Hause kommen. Es ist ein sehr heißer Tag auf dem Rücken eines Kamels, und du bist durstig. Plötzlich steht vor dir ein wunderbares Bild. Nur ein wenig von dir entfernt ist ein Bach, der an Weiden und Büschen und Sträuchern vorbeifließt. Dort drüben sind Palmen und Orangenbäume. Ja, und eine Stadt erhebt sich auf dem Hügel mit Türmen. Du freust dich und fragst deinen Führer, dass er dich näher an den Bach führen soll, der in der Sonne glitzert. Er antwortet grimmig: „Achte nicht darauf, es ist nur eine Fata Morgana. Hier ist nicht mehr als heißer Sand.“ Du kannst ihm kaum glauben. Es erscheint so real. Aber siehe, alles ist vergangen wie ein Traum in der Nacht.
Und so steht es um die Hoffnung, die auf einem Schein von Gottesfurcht gebaut ist ohne Kraft. Ameisen werden alles im Inneren einer Schachtel verspeisen und nur die Überreste stehen lassen, bis alles in Staub zerfällt – hütet euch vor einem Bekenntnis, das ohne Substanz ist. Glaubt an nichts, was nicht den Stempel der Ewigkeit trägt. Hüte dich, mein armes Kind, du magst deine Seifenblase aufblasen und das Sonnenlicht mag sie mit den Farben des Regenbogens schmücken, aber in einem Augenblick ist die Blase zerplatzt, und keine Spur wird davon übrigbleiben. In Wahrheit ist ein solcher Glaube Feindschaft gegen Christus. Es ist wie bei Jannes und Jambres – die Zauberei der Heuchelei versucht Wunder zu wirken, die Gott alleine wirken kann. Sie mögen scheinbar die gleichen Wunder wirken wie der Finger Gottes. Aber sie scheitern. Gott schenke uns, dass wir niemals der Wahrheit widerstehen in einem verlogenen Bekenntnis.
Die Falschheit der Menschen fügt wahrer Gottesfurcht großen Schaden zu. Denn wie Ehud geben sie vor, eine Botschaft von Gott zu haben, und mit ihrem zweischneidigen, scharfen Dolch versetzen sie der Gottesfurcht einen tödlichen Stoß. Niemand kann der Gemeinde Schaden zufügen als nur der Mann, der innerhalb ihrer Mauern der Gemeinde lebt aber kein Leben hat. Dieses Namenschristentum ohne Kraft ist eine Schande. Es ist eine Schande, weil Jesus es verachtet. Als er am Feigenbaum vorüberging, der so früh Blätter aber keine Früchte trug, sah er darin den nichtigen Bekenner ohne wahre Heiligung. Und er sagte: „Du sollst von nun an keine Frucht mehr tragen in Ewigkeit.“ Sein Wort ließ den Baum sofort verdorren. Dies ist ein schreckliches Bild für die Frucht eines falschen Bekenntnisses. Welche Schande wird ein solcher Namenschrist ohne Frucht in der Ewigkeit sein, wenn die Geheimnisse des Herzens offenbar werden! Welche Scham und ewige Geringachtung wird auf ihn warten, wenn seine Falschheit offenbar wird und seine Unredlichkeit vor den Heiligen mit Entsetzen kundgetan wird! O, hütet euch vor der Hölle der falschen Bekenner.
Ich komme mit einigen weiteren unterweisenden Worten zum Schluss. Gottesfürchtiges Tun ist sehr kostbar. Diejenigen, die die Kraft [Gottes] kennen, sollen gottesfürchtig handeln. Verachte solches Tun nicht, weil andere es entehrt haben. Komm und bekenne offen deinen Glauben. Aber achte darauf, dass du es in der Kraft [Gottes] tust. Rufe zu Gott, damit du niemals einen Ärmel trägst, der länger ist als dein Arm – ich meine damit, geh niemals darüber hinaus, was wirklich und wahrhaftig dein ist. Es ist besser für dich, als eine verlorene Seele zu Gott zu kommen und um Gnade zu rufen, als dich als einen Gläubigen auszugeben, wenn dies nicht der Fall ist. Aber verkündige Christus frei und ohne Furcht. Schäme dich nicht wegen Jesus, weil sich viele seiner Jünger schlecht verhalten. Betrachte das Fehlverhalten falscher Bekenner als Teil des Kreuzes, das du für deinen Herrn tragen musst. Mit einigen in Gemeinschaft zu sein, die nicht wahrhaftig sind, scheint in diesem Leben unvermeidbar zu sein – ganz gleich wie sorgfältig wir unsere Gemeinschaft aussuchen.
Als nächstes folgt noch ein Wort der Klarstellung. Wenn ich predige, was mir auf dem Herzen liegt, gibt es gewiss einige ehrfürchtige Seelen, die ich gerne trösten würde, die jedoch denken, ich meine sie mit meinen Worten. Eine arme Frau kommt in tiefer Not zu mir und sagt: „Mein Herr, ich habe kein inneres Empfinden.“ Liebes Herz, sie hat zehn Mal mehr inneres Empfinden. Ein weiterer beklagt: „Ich bin sicher, dass ich ein Heuchler bin.“ Ich bin nie einem Heuchler begegnet, der von sich wusste, dass er einer war, und ich werde einem solchen niemals begegnen.“ „O“, sagt ein anderer, „ich fühle mich verurteilt.“ Der, der sich verurteilt fühlt, der kann auf Vergebung hoffen. Wenn du dich selbst fürchtest, dann fürchte ich nicht um dich, denn wenn du vor Gottes Wort zitterst, dann ist dies ein sicheres Zeichen von Gottes Auserwählten. Diejenigen, die Bedenken haben, sie mögen Fehler machen, machen selten Fehler. Wenn du dich selbst prüfst und es dem Wort Gottes erlaubst, dich zu prüfen, dann steht es gut mit dir. Der betrügerische Händler fürchtet es, wenn man seine Bücher prüft, aber der ehrliche Mann bezahlt sogar einen Buchhalter, um seine Bücher korrekt zu führen.
Nimm diese Worte und sprich dich weder frei noch verurteile dich ohne Grund. Wenn der Geist Gottes dich leitet, im Verborgenen über deine Sünden zu weinen und im Verborgenen um Gnade zu beten, wenn er dich führt, die Heiligung zu suchen, wenn er dich führt, alleine Jesus zu vertrauen, dann kennst du die Gottesfurcht, und du hast sie nie verworfen. Du, der du rufst „O, dass ich die Kraft des Heiligen Geistes mehr erfahren könnte, denn ich weiß, er könnte mich trösten und heiligen und mich dazu befähigen, das Leben des Himmels auf Erden zu führen“, auch dich betrifft der Text der Predigt nicht, denn du hast die Kraft [Gottes] nicht verleugnet. Nein, nein, dieser Text ist nicht für dich bestimmt, sondern für eine ganz andere Art von Leuten.
Lasst mich euch ein Wort der Ermahnung geben. Lernt von diesem Text, dass es etwas an gottesfürchtigem Tun gibt, das es wert ist zu besitzen. Der äußere Schein von Gottesfurcht ist nicht alles – es gibt eine gesegnete Kraft. Der Heilige Geist ist diese Kraft, und er kann in dir nach Gottes Wohlgefallen wirken. Komme zu Jesus Christus, liebe Seele. Komm nicht zum Prediger oder zur Gemeinde in erster Linie, sondern komme zu Jesus! Komm und lege dich zu seinen Füßen nieder und sage: „Herr, ich werde nicht getröstet, bis dass du mich tröstest.“ Komm und empfange alles aus erster Hand von deinem gekreuzigten Herrn, und dann wirst du die Kraft der Gottesfurcht kennen. Hüte dich vor Glauben aus zweiter Hand; sie ist es nicht wert. Empfange deine Gottesfurcht direkt vom Himmel, indem deine Seele deinem Retter begegnet. Bekenne nur das, was du selbst besitzt, und ruhe nur in dem, was du von oben empfangen hast. Dein himmlisches Leben mag noch schwach sein, aber der Same des Senfkorns wird wachsen. Du magst der Geringste in Israel sein, aber dies ist bei Weitem besser, als der Größte in Babylon zu sein. Der Herr segne diese Worte und spreche durch den Heiligen Geist jeden einzelnen an, wie es nötig ist. Du kannst daraus entweder eine Geißel machen, die Schmerzen hervorruft, oder ein Pflaster, das deine Wunden bedeckt und heilt, so wie dein Gewissen dich leitet. Gott führe dich um Jesu Namen willen. Amen.
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*Predigt von Charles H. Spurgeon, 2. Juni 1889. : The Form of Godliness without the Power, (Predigt Nr. 2088)